Schuhe nähen ist für junge Leute heute nicht sexy, sagt der Schuhhersteller aus Zlín
Die Kunden finden die Filiale nämlich im Gebäude 64 des Baťa-Areals, wo die Firma Baťa früher ihre Entwicklungsabteilung hatte. „Vielleicht ist das symbolisch, Tomáš Baťa und seine Philosophie sind für mich eine große Inspiration“, sagt Kunorza.
Worin konkret?
Seine Geschichte kennt jeder, mich hat ein Aspekt besonders beeindruckt: Um sein Imperium aufbauen zu können, musste er erst einmal scheitern. Er baute es also völlig von null auf. Baťa war extrem fleißig und ein genialer Unternehmer; etwa während der Krise senkte er massiv die Preise und konnte gleichzeitig die Inputkosten reduzieren. Er wusste auch, dass es nicht „nur“ darum geht, Geld zu verdienen, sondern sich auch um seine Mitarbeiter zu kümmern. Menschen, die ehrlich arbeiteten, ging es bei ihm gut.
Wie war Ihr Weg in die Welt der Schuhe?
Eher zufällig. (lacht) Als ich mich für eine weiterführende Schule entscheiden musste, schien mir die „Gerberei“ der einfachste Weg. Im zweiten Jahr kam ich für ein Praktikum zum damaligen Svit, der nach der Revolution noch auf Hochtouren lief. In den Werkstätten brummte es, die Ware ging in großen Mengen nach Russland, Vertreter deutscher Firmen kamen her… Mich faszinierte, wie viele Schuhe an einem Ort entstanden. Nach dem Abitur trat ich bei Svit eine Vollzeitstelle an.
Sie haben also den Zusammenbruch Ende der 90er miterlebt?
In der Zeitung las ich Statements der Unternehmensleitung, wie gut Svit laufe und welche Pläne es habe, doch wir in der Produktion sahen, dass die Realität ganz anders war. Es war traurig, aber lehrreich. Ich war ein junger Kerl und verstand nicht, wie ein Unternehmen mit so vielen Aufträgen zusammenbrechen kann. Die ganzen Zusammenhänge wurden mir damals noch nicht klar. Den endgültigen Schlag versetzte dem Betrieb dann die russische Währungskrise 1998. Nachdem ich bei Svit Erfahrung gesammelt hatte, arbeitete ich zwei Jahre in einer privaten Firma, wieder im Schuhbereich. Später ging ich zu Prabos, wo ich sechs Jahre tätig war. Das war eine große Schule, dort kam ich auch erstmals mit Arbeits- und Sicherheitsschuhen in Berührung.
Welchen Eindruck haben Sie heute, wenn Sie das wiederbelebte Fabrikareal sehen?
Ich bin begeistert, wie sich nicht nur das Areal, sondern der ganze Zlín verändert. In den letzten Jahren hat die Stadt einen großen Schritt nach vorn gemacht, die Parks hier sind zum Beispiel wunderschön. Ich bin ein stolzer Zlíner, ich lade all unsere Geschäftspartner hierher ein, damit sie die lokale Architektur und den Genius loci des Fabrikareals kennenlernen.
2009 haben Sie mit Partnern die Firma Z-Style gegründet, aus der später BENNON wurde. Wie schwer ist es heute, sich auf dem Markt für Outdoor- und Arbeitsschuhe durchzusetzen?
Immer schwerer, wenn auch nicht unmöglich. Wir haben uns darauf fokussiert, dem Markt ein Qualitätsprodukt zu einem fairen Preis zu liefern. Bis zum Beginn der Covid-Pandemie ist unser Unternehmen gewachsen, jetzt wird es eine Herausforderung, das zu halten. Die gestiegenen Energiepreise schlagen bei den Menschen bereits durch und sie schauen, wo sie sparen können. Schuhe werden aber immer getragen, das ist eine Konstante.
In einem Interview sagten Sie, dass Arbeits- und Sicherheitsschuhe oft vernachlässigt und unterschätzt werden.
Unsere Füße tragen uns ein Leben lang. Es ist wie bei einem Einfamilienhaus: Wenn das Fundament nicht richtig liegt, können Probleme auch in höheren Bereichen auftreten. Bei der Arbeit trägt man acht Stunden am Tag Schuhe; man braucht hochwertiges Obermaterial und eine gute Sohle, die schützt und sich dort biegt, wo sie soll. Früher kam es oft vor, dass Arbeitgeber, um ihrer Pflicht nachzukommen, einfach irgendwelche Schuhe kauften und nicht weiter hinterfragten, was das für welche sind. In den letzten Jahren hat sich das verbessert; Unternehmen bieten verschiedene Benefits an, und qualitativ hochwertige Arbeitsschuhe gehören dazu.
Gehen die Tschechen vor allem nach dem Preis?
Viele haben inzwischen verstanden, dass es besser ist, für hochwertigere Schuhe zu zahlen, die länger halten. Wenn man Schuhe hat, die einen in harten Bedingungen tragen – etwa im Winter in den Bergen oder bei langen Märschen –, dann gibt es keinen Grund, zu einer anderen Marke zu wechseln. Unser meistverkaufter Schuh TERENNO kostet über zweitausend Kronen, und viele Kunden kommen immer wieder zu ihm zurück.
Woran erkennt man qualitativ hochwertige Trekkingschuhe?
Vor allem am guten Leisten und daran, welche Komponenten bei der Herstellung verwendet werden. Es hängt auch von den Bedingungen ab: Wenn man nicht weiß, welches Wetter einen erwartet, ist ein hochwertiger Schuh mit Membran sinnvoll. Generell sollte die Sohle weder extrem steif noch weich sein, und der Schuh sollte eine hochwertige Fersenkappe haben, die die Ferse hält, ohne den höheren Teil des Fußes zu stark zu fixieren, damit man natürlich gehen kann. Das gilt für alle Schuhe. Im vorderen Zehenbereich muss er die Fußform respektieren und darf nicht zu eng sein. Beim Gehen verlängert sich der Fuß, und wenn man etwa im Gelände bergab geht, sind zu kurze Schuhe ein großes Problem.
In Zlín haben Sie nun das erste stationäre Geschäft eröffnet und hier auch Ihr eigenes Labor. Wie sieht es mit der Produktion aus: Wie viel nähen Sie in Europa?
Etwa bis zu zehn Prozent, der Rest entsteht in Asien. Die Erstentwicklung machen wir jedoch in Zlín, wo auch die Endkontrolle der Qualität stattfindet. In Asien produzieren wir seit 2009; wir haben dort eigene Leute, die die Fertigung überwachen. In der Schuhindustrie gilt seit Langem: Die Produktion in Europa ist dramatisch zurückgegangen, Asien dominiert heute, dort sitzen auch die nötigen Zulieferer. Selbst die besten Marken der Welt haben den Großteil ihrer Produktion in einem der asiatischen Länder.
Hat Ihnen Covid deshalb das Leben nicht zusätzlich erschwert?
Es gab und gibt damit ständig Probleme. Es ist schwierig, physisch dorthin zu kommen; in China gelten immer noch Quarantänen und Ähnliches. Wichtig ist mir aber, dass wir die Tradition der Produktion in Europa zumindest teilweise aufrechterhalten, auch wenn es wirtschaftlich nicht so vorteilhaft ist.
Spielt dabei auch eine Rolle, dass es in Tschechien beinahe übermenschlich schwer ist, einen ausgebildeten Schuhmacher oder eine Näherin zu finden, die in diesem Bereich arbeiten möchten?
So ist es. BENNON ist Mitglied des Tschechischen Schuh- und Lederverbands, und wir alle nehmen wahr, dass Europa einen anderen Weg eingeschlagen hat. Schuhe zu nähen ist für junge Leute heute nicht „sexy“, bei der Wahl der weiterführenden Schule spricht es nur wenige an. Das ist für uns alle eine Herausforderung, um ein Fach zu erhalten, das zu den strategischen gehört.
Wie meinen Sie das?
Zu Beginn der Pandemie verbeugten sich hier Politiker vor dem chinesischen Flugzeug mit Masken, weil wir selbst damals nicht in der Lage waren, sie herzustellen. Die Leute mussten sie zu Hause nähen und sich gegenseitig geben. Genauso ist es mit dem Gas: So lange hatten wir nur einen Lieferanten, bis es heute ein riesiges Problem ist. Ich würde mir wünschen, dass im Bildungsbereich die schuhtechnischen Fächer höhere Priorität bekommen. Die Zahl der Absolventen ist außerordentlich gering, und eines Tages wird vielleicht niemand mehr da sein, der Schuhe näht. Und man weiß nie, ob es nicht wieder einmal nötig sein wird.